DR. MED.
HENRICH STIFTUNG
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Bemerkungen zum Schächten 2. Teil von Dr. Gerhard Heybrock

Was den Begriff „halal“ anbetrifft: Er bedeutet auf Arabisch „erlaubt“ oder „zulässig“ im Sinne der religiösen Speisevorschriften und entspricht dem jüdischen „koscher“. Nicht wenigen Tierschützern sträuben sich bereits automatisch die Haare, wenn sie in den Supermärkten zunehmend auf Lebensmittel (vor allem Fleisch) mit Halal-Siegel stoßen. Sie assoziieren halal automatisch mit betäubungslosem Schächten – aufgrund der oben aufgezeigten verbreiteten Missverständnisse. Aber: zumindest nach dem Europäischem Halal-Zertifizierungsinstitut (www.eurohalal.eu bzw. http://www.pro-iure-animalis.de/dokumente/ehz_halal_richtlinien.pdf) besteht sogar Betäubungspflicht bei der Schächtung. Hier heißt es in den Islamischen Vorschriften für Halal-Schlachtung unter 5.1.4 unmissverständlich:

 

„Betäubungsmethoden, die die Tiere vor Schmerzen und Leiden bei der Schlachtung schützen, sind anzuwenden, wobei bezüglich der Betäubungsmethoden der jeweilige aktuelle Stand wissenschaftlicher Forschung zum Schutz der Tiere anzuwenden ist.“

 

Dieser Passus belegt klar, dass Schächten nicht automatisch Schlachten ohne Betäubung ist. Auch festlich-rituellen Schächtungen dulden die Veterinärbehörden der meisten Bundesländer nicht ohne Betäubung – im Unterschied zu anderen Staaten der EU wie etwa Frankreich und Spanien, wo die Tiere völlig frei nach den Wünschen und Vorstellungen der ansässigen Muslime im Familienkreise auf zugewiesenen Sportplätzen u. dgl. geschächtet werden dürfen. Wie die Praxis in den Schlachthöfen Europas – trotz Betäubungsgebot – tatsächlich aussieht, mag dahingestellt sein. Immerhin weisen bisher Undercover-Videos von Tierschützern in europäischen „Normal-“ und sogar „Vorzeige“-Schlachthöfen, wo Betäubungen ohnehin selbstverständlich sein sollten, in fast allen Fällen, die jemals untersucht wurden, gravierende Verstöße gegen geltende Tierschutzbestimmungen auf.

 

Wenigstens Israel hat aufgrund der von Tierschützern aufgedeckten massiven Verstöße gegen Tierschutzbestimmungen eine Videoüberwachung in seinen Schlachthöfen eingeführt – eine Maßnahme, von der europäische Tierschützer nur träumen können. Allerdings halten jüdische Glaubensvertreter überall in der Welt unbeirrbar starr an der extrem grausamen, betäubungslosen Schächtvariante fest. So wurde das in Polen vorübergehend staatlich angeordnete Betäubungsgebot bei Schächtungen aufgrund massiven Widerstandes jüdischer Interessengruppen wieder aufgehoben. Dass aus heutiger Sicht betäubungsloses Schächten auch der jüdischen Religionslehre sinngemäß zuwider läuft, erläutert z. B. die Jüdin Hanna Rheinz in einer sehr lesenswerten Stellungnahme unter dem Titel „Das Fleisch gequälter Tiere ist niemals koscher“ (https://www.neues-deutschland.de/artikel/132416.das-fleisch-gequaelter-tiere-ist-niemals-koscher.html).

 

Weltweit wird Schächtfleisch aus betäubungsloser Schlachtung und zunehmend sogar echter Schächtung gehandelt. Allem Anschein nach wird selbst in Europa die Existenz des o. g. Halal-Zertifizierungsinstituts weitgehend übersehen, geschweige denn seine Betäubungsvorschriften bei Schächtschlachtungen befolgt oder wenigstens international diskutiert. Außerordentlich skandalös ist, wie beispielsweise das Nachbarland Frankreich seine Schächt-Problematik „gelöst“ hat. Es hat im Vergleich zu Deutschland einen zwar doppelt so hohen Anteil an Muslimen (7,5%; Juden nur 0,75%) aber immer noch über 90% angestammt mitteleuropäische Bevölkerungsanteile. Hier wird vom Großteil der Schlachtbetriebe der Einfachheit halber gleich nach der Schächtmethode – und zwar unbetäubt – geschlachtet. Einem 2011 erschienenen Bericht des französischen Generalrates für Ernährung, Landwirtschaft und ländliche Räume zufolge sind in Frankreich 51% der Schlachtungen bereits Schächtungen gemäß islamischer und jüdischer Tradition. Die Landwirtschaftskammer des Départements Ile de France (Paris und Umgebung) gibt 2012 an, dass die Betreiber ein einheitliches Verfahren bevorzugt haben, und zwar das der rituellen Schlachtung, um die Arbeitsvorgänge zu vereinfachen und Kosten zu reduzieren. Ergebnis: 100% Schächtungen im Département Ile de France. (Quelle: http://www.fondationbrigittebardot.fr/abattage-rituel-Stephane-LeFoll). Bei den Mengen Fleisch, die hier produziert werden, ist allerdings völlig ausgeschlossen, dass den betroffenen Tieren dabei auch nur einigermaßen eine schonende Behandlung zuteil wird, wie sie die islamischen und jüdischen Religionsvorschriften fordern.

 

Die französische Tierschützerin Marika Marcuzzi:

 

„Die Situation ist in anderen europäischen Ländern nicht viel anders. Ab dem Moment wo „traditionelle“ Schlachthäuser beginnen, nach der jüdischen und muslimischen Tradition zu schlachten, um ihren Umsatz zu steigern, ist die Versuchung groß, es so wie die französischen säkularen Schlachthöfe zu machen: nur noch koscher und halal zu schlachten, um Kosten zu sparen. … In Frankreich ist somit festzustellen, dass manches, was eine Ausnahme bleiben sollte, bereits zur Normalität geworden ist. Und mit dem immer weiter steigenden Anteil der muslimischen Gemeinschaft in den Europäischen Ländern wird sich das Problem der Ausnahmeregelungen die zum Standard werden eher verschärfen.“ (in https://www.veganbook.info/51-aller-tiere-in-frankreich-werden-geschaechtet/).

 

Den meisten Konsumenten sind die näheren Hintergründe ihrer einstmals lebenden Nahrungsmittel völlig unklar und ebenso unwichtig. Wer sicher gehen, d. h. sich nicht am Elend und den Gräueltaten mitschuldig machen will, denen die meisten „Nutz“tiere in den industriellen Zucht- und Mast-Haftanstalten ihr ganzes Leben lang und erst recht bei ihrem gewaltsamen Tod ausgeliefert sind, geht jedem Konsum von Tierprodukten aus dem Wege. Angesichts der heutigen Vielfalt an Ernährungsmöglichkeiten und nicht zuletzt gravierender Umweltprobleme besteht kein vernünftiger Grund mehr, Tierprodukte zu konsumieren. Dass gerade im modernen Israel vergleichsweise intensiver über diese Zusammenhänge nachgedacht wird, beweist die hier mit 4% weltweit höchste Quote an Veganern. In Deutschland sind es (Stand 2013) gerade mal 0,5% (http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/5648218/-das-veganste-land-der-welt-.html).

 

Gez.: Gerhard Heybrock

 

Teil 1 Bemerkungen zum Schächten von Dr. Gerhard Heybrock finden Sie hier: https://www.veganbook.info/bemerkungen-zum-schaechten-von-dr-gerhard-heybrock/